Bundesliga
Hertha in «Extremsituation» - DFL: «Kein Saisonabbruch»

16.04.2021 | Stand 17.04.2021, 7:09 Uhr

Andreas Gora/dpa

Erstmals müssen in dieser Saison Bundesliga-Spiele wegen Corona verlegt werden. Die Sorgen wachsen. Hertha BSC steht vor einem «Experiment», betonte Sportdirektor Friedrich. Die Deutsche Fußball Liga beschäftigt sich mit Szenarien, um einen Abbruch zu verhindern.

Die Angst wird größer. Der Corona-Ausbruch bei Hertha BSC und gleich drei notwendige Spiel-Verlegungen haben in der Fußball-Bundesliga die Furcht vor einem Saison-K.o. noch auf der Zielgeraden geschürt.

«Das ist schon eine Extremsituation, die wir alle noch nicht erlebt haben», erklärte Arne Friedrich, der Sportdirektor des am heftigsten betroffenen Erstligisten aus Berlin. Bis zum 29. April muss die abstiegsgefährdete Hertha nach den jüngsten vier positiven Corona-Tests komplett in häusliche Quarantäne und danach bis 22. Mai noch sechs Partien bestreiten.

Angesichts des Berliner Ernstfalls und des ungebremsten Anstiegs der Corona-Infektionen im ganzen Lande wird sich die Deutsche Fußball Liga (DFL) intensiv mit Notfallplänen beschäftigen. Nach dpa-Informationen will das DFL-Präsidium in der kommenden Woche erneut über ein verpflichtendes Quarantäne-Trainingslager für die 36 Erst- und Zweitligisten in der Schlussphase der Saison beraten und entscheiden. Als wahrscheinlichste Variante soll es diese Maßnahme für die letzten zwei oder drei Spieltage geben.

Ein weiterer ähnlicher Fall wie jetzt Hertha kurz vor Schluss könnte die Wertung der Spielzeit verhindern. «Es sind noch viele sportliche Entscheidungen offen», sagte DFL-Chef Christian Seifert bei «Bild live». Dabei steckt vor allem Hertha in einem großen Dilemma: Ohnehin schon am Rande der Abstiegszone muss nach zwei Wochen Isolation mit einem Kaltstart die Rettung gelingen. Geschäftsführer Carsten Schmidt macht sich auch Sorgen, dass die gesamte Saison kippen könnte.

«Die DFL hat die letzten Wochen schon deutliche Hinweise gegeben. Ich mache mir schon Gedanken, dass wir in eine Situation kommen, die wir schwer beherrschen», sagte der Hertha-Chef. «Inwieweit das in den Mai hineinragt und wir Ansetzungsprobleme bekommen, ist Spekulation. Wir müssen anerkennen, das die Zahlen steigen und der Fußball keine Ausnahme ist.»

Erst einmal wurden die kommenden Hertha-Spiele bei Mainz 05, gegen den SC Freiburg und bei Schalke 04 abgesagt. Neue Spieltermine sollen folgen. Hertha will einen eigenen Vorschlag einreichen. «Es ist aber auch klar, dass so etwas in dieser Zeit passieren kann. Insofern werden wir uns dieser Situation stellen und darüber nachdenken, wie der Plan anzugehen ist», bemerkte Seifert, schloss aber deutlich an: «Es verbietet sich, zum jetzigen Zeitpunkt über einen Saisonabbruch nachzudenken. Das ist auch das Verständnis der 36 Vereine. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass der deutsche Meister am 22. Mai feststehen kann.»

Friedrich sieht Hertha vor einem «Experiment, so etwas hat es noch nicht gegeben. Es gibt keine Erfahrungswerte», sagte der Sportdirektor. Physisch und mental sei die Situation eine riesige Herausforderung: «Es ist sehr wichtig, jeden Tag Kontakt zur Mannschaft zu halten.» Ob mit der Quarantäne jetzt der Wettbewerb verzerrt werde, wollte Friedrich nicht sagen: «Darüber können wir diskutieren und spekulieren. Fakt ist, es ist, wie es ist.»

Auch Hertha-CEO Schmidt hat sich mit der Wahrung der Integrität des Wettbewerbs in einer solchen Saison oder gar möglichen rechtlichen Schritten im Fall eines Abstiegs noch nicht beschäftigt, machte der ehemalige Sky-Manager deutlich: «Wir nehmen die Situation an, wir hadern nicht. Unsere Gedanken sind in ersten Linie bei den erkrankten Spielern und Trainern.»

Während bei Chefcoach Pal Dardai bisher nur leichte Symptome aufgetreten sind, musste sich der schon Anfang April infizierte Torhüter Rune Jarstein zwischenzeitlich im Krankenhaus behandeln lassen. «Rune hat es am härtesten erwischt, aber er ist auf dem Weg der Besserung», berichtete Friedrich. Dass der Norweger allerdings in dieser Saison nochmals auf den Platz zurückkehrt, damit sei nicht zu rechnen. Auch die Profis Dodi Lukebakio und Marvin Plattenhardt sowie Co-Trainer Admir Hamzagic wurden positiv getestet.

Sollte es bei Hertha in der Quarantäne-Frist neue Corona-Fälle geben, müsste nur die betroffene Person eine Verlängerung der Isolation antreten und nicht die ganze Gruppe. «Wir richten uns auf 14 Tage Quarantäne ein», sagte Schmidt. Diese Sichtweise wurde von Detlef Wagner, Bezirksstadtrat für Soziales und Gesundheit vom zuständigen Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf, bestätigt.

Der Berliner Club will alles tun, um «in wettbewerbsfähigem Zustand in die Restsaison zu gehen und mindestens den Klassenerhalt zu sichern», betonte Schmidt: «Für Hertha geht es um viel, das ist uns bewusst.» Ein Abstieg würde den durch viele Investoren-Millionen veränderten Club auf dem offen angekündigten Weg Richtung Spitzenclub nicht nur zurückwerfen, sondern die Mission dauerhaft gefährden.

Jetzt geht es erst einmal um Schadensbegrenzung. Laufbänder und Fitness-Fahrräder werden in die Quarantäne-Quartiere der Profis geschickt, aktuell wurde ein virtuelles Teammeeting angesetzt. Dardai übernahm wieder die Anführer-Rolle, nachdem Friedrich vor der Quarantäne-Anordnung ein Training geleitet hatte. «Pal ist klar der Cheftrainer. Ich war der Übergangstrainer. Er bekommt meine volle Unterstützung», betonte der Ex-Nationalspieler und ergänzte: «Auch bei Pal und den Trainern gab es kein Lamentieren. Wir werden als Team gestärkt hervorgehen.»