Diplomatie
Auschwitz Komitee sieht Steinmeiers Polen-Reise als Signal

17.06.2021 | Stand 17.06.2021, 11:18 Uhr

Bernd von Jutrczenka/dpa

1991 schlossen Deutschland und Polen einen Nachbarschaftsvertrag ab. Zum Jahrestag reist Bundespräsident Steinmeier nach Warschau. Er trifft seinen Kollegen Duda, Jugendliche und KZ-Überlebende.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier reist zu Gesprächen mit seinem polnischen Kollegen Andrzej Duda nach Warschau.

Offizieller Anlass ist der 30. Jahrestag der Unterzeichnung des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrags. Der Besuch Steinmeiers sei «ein Zeichen des die Hand Reichens und gemeinsam nach vorne Blickens» trotz der Schwierigkeiten, die es im Verhältnis der Regierungen gebe, hieß es zuvor aus Kreisen des Bundespräsidialamtes in Berlin. Duda und Steinmeier wollen außerdem mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen aus beiden Ländern diskutieren.

Der deutsch-polnische Nachbarschaftsvertrag war nach dem Ende des Kalten Krieges am 17. Juni 1991 geschlossen worden. Das vom damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl und dem polnischen Regierungschef Jan Krzysztof Bielecki unterzeichnete Dokument schrieb unter anderem die Unantastbarkeit der Grenzen fest. Deutschland und Polen versprachen sich, Konflikte ausschließlich mit friedlichen Mitteln zu lösen. Das Vertragswerk regelt auch die Rechte der deutschen Minderheit in Polen und der polnischstämmigen Deutschen. Es sicherte Polen darüber hinaus deutsche Unterstützung bei der Annäherung an die EU zu, der das Land dann 2004 beitrat.

Steinmeier trifft in Warschau auch mit dem KZ-Überlebenden und Vorsitzenden des Internationalen Auschwitz Komitees, Marian Turski, zusammen. Der 94-Jährige wertete den Besuch des Bundespräsidenten als eine Geste des guten Willens. «Dies ist ein gutes Signal, denn Polen ist dann stärker, wenn die Beziehungen zwischen Polen und der EU stärker sind», sagte Turski der Deutschen Presse-Agentur. Turski wurde 1944 in das deutsche Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz deportiert, er ist Mitbegründer des Museums der Geschichte der polnischen Juden in Warschau.

Die Beziehungen zwischen der EU und Polen sind derzeit wegen eines Streits um Reformen des polnischen Justizsystems belastet. Doch auch zwischen Warschau und Berlin gibt es mehrere strittige Themen. Dazu gehört etwa die deutsch-russische Gaspipeline Nord Stream 2 durch die Ostsee. Kurz vor dem Besuch Steinmeiers hatte ein Berater von Präsident Andrzej Duda zudem den Bau des in Berlin geplanten Gedenkorts für polnische NS-Opfer angemahnt. Vertreter der nationalkonservativen Regierungspartei PiS erheben immer wieder Forderungen nach Reparationen für die Zerstörungen während des Zweiten Weltkriegs.

In einem Gastbeitrag für die «Rheinische Post» sprach sich Außenminister Heiko Maas für eine Neubelebung der
deutsch-polnischen Beziehungen aus. «Gerade wir Deutschen
sollten diese Perspektive unseres Nachbarn nicht aus dem Auge
verlieren. Das gilt für diejenigen, die Polen aufgrund der
Defizite in Sachen Rechtsstaat oder Pressefreiheit am liebsten
abschreiben würden. Das gilt aber auch für die Vertreter
eines europäischen Hurra-Föderalismus, der Europa
absehbar erneut in Ost und West spalten würde», schreibt Maas.

Das Jubiläum sollte vielmehr genutzt werden, um gemeinsam mit Polen nach vorne zu schauen. «Dann werden wir sehen: Polnische und deutsche
Interessen liegen oft näher beieinander, als wir denken», so Maas. Außerdem solle Europa «glaubwürdig eintreten» für seine Werte in der Welt. «Und wir wollen kein „Europa der zwei Geschwindigkeiten“, das
Polen und andere Länder Mittel- und Osteuropas absehbar zu
Mitgliedern zweiter Klasse degradieren würde.» Dazu müssten aber gemeinsame Vorschläge gemacht werden, wir die EU weiterentwickelt und gestärkt werden könne. «Kurz gesagt: Wir müssen neue Brücken bauen zwischen Deutschland und Polen, zwischen West und Ost in Europa – heute genauso wie vor 30 Jahren.»