Forschungsreaktor soll ohne neuen Brennstoff ans Netz

24.09.2021 | Stand 27.09.2021, 7:52 Uhr

Der Forschungsreaktor FRM II in Garching bei München.- Foto: Peter Kneffel/dpa/Archivbild

Noch steht der Garchinger Forschungsreaktor still - auch, weil zu viel radioaktives C-14 ausgetreten war. Nun wird das Wiederanfahren vorbereitet. Aus Sicht von Atomgegnern dürfte das nicht sein. Denn der FRM II läuft weiter mit hochangereichertem Uran.

Der Forschungsreaktor FRM II in Garching bei München soll nach fast zwei Jahren Stillstand im nächsten Jahr wieder anfahren. Geplant sei ein Zeitpunkt Anfang 2022, in jedem Fall aber erst nach den Weihnachtsferien, sagte eine Sprecherin der Anlage am Freitag. Das bayerische Umweltministerium als Aufsichtsbehörde habe dem Neustart schon zugestimmt. Der Reaktor - mit vollem Namen Forschungs-Neutronenquelle Heinz Maier-Leibnitz (FRM) - werde vorerst weiter mit dem umstrittenen hochangereichertem Uran laufen.

Die Anlage war wegen der Corona-Pandemie im März vergangenen Jahres heruntergefahren worden. Dann stand der Reaktor, der eine der leistungsstärksten Neutronenquellen weltweit ist, unter anderem wegen einer Emission von radioaktivem C-14 über dem zulässigen Jahresgrenzwert still. Ein neuer Prozess soll das künftig verhindern.

Wegen der Nutzung von mit zu 93 Prozent angereichertem Uran ist der Reaktor umstritten. Atomgegner, Umweltschützer und Grüne sprechen von waffenfähigem Material. Sie klagen vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof gegen den Betrieb, der seit 2010, spätestens aber seit Ende 2018 nicht mehr legal sei. Es müsse mindestens auf unter 50 Prozent angereichertes Material verwendet werden.

«Es ist eine Unverschämtheit, noch vor der mündlichen Verhandlung im Klageverfahren gegen die TU München das Wiederanfahren anzukündigen», sagte die Grünen-Abgeordnete Claudia Köhler. Die Betreiber unterstrichen, die Umrüstung auf einen Brennstoff mit einer Anreicherung von höchstens 50 Prozent des spaltbaren Uran-235 bleibe oberstes Ziel. Sie legten einen Zeitplan für Verfahrensschritte vor. Demnach wollen sich der Bund und Bayern bis 2023 verständigen, welche von drei untersuchten Brennstoffvarianten für den Reaktor der Technischen Universität München in Frage komme.

Eine TU-Forschungsgruppe wie auch europäische und internationale Partnern forschen an geeigneten Brennstoffen. «Ende 2022 werden wissenschaftlich fundierte Aussagen zu diesen Brennstoffkandidaten sowie Umrüstungsszenarien vorliegen», sagte die FRM-II-Sprecherin. 2025 solle dann für einen neuen Brennstoff das Genehmigungsverfahren starten. Wann er eingesetzt werde, hänge von Tests und Verfahren ab.

Bisher gebe es keinen niedriger angereicherten Brennstoff, der für den Einsatz im FRM II qualifiziert sei, sagte der Wissenschaftliche Direktor des FRM II, Peter Müller-Buschbaum. Inzwischen sei man aber «auf der Zielgeraden». Der TU-Wissenschaftler Anton Röhrmoser hatte bereits 2018 einen Vorschlag für ein FRM-II-Brennelement mit bis zu 50 Prozent Anreicherung vorgelegt. Dabei wurde der jetzige Brennstoff bei maximal zugelassener Urandichte verwendet. Die Umrüstung wäre demnach mit vergleichsweise gut machbaren Anpassungen möglich.

Röhrmoser legte zudem eine Studie vor, unter welchen Bedingungen bis zu 20 Prozent angereicherte Brennstoffe verwendbar wären - das würde demnach schwierige Umstellungen am Reaktor erfordern. Das Papier war 2018 seitens der TU von einer Konferenz zurückgezogen worden; es habe den Maßstäben der Qualitätssicherung nicht entsprochen, sagte die FRM-II-Sprecherin. Die Brennstoffe seien in der Form nicht einsetzbar. Die Entwürfe basierten auf falschen Annahmen.

Bei dem nun geplanten Neustart des Reaktors fehlt wegen eines noch zu ersetzenden Teils die Quelle für kalte Neutronen, die mit einer bestimmten Wellenlänge etwa bei Forschung zu Antibiotika-Resistenzen oder zur Untersuchung von Be- und Entladevorgängen von Batterien nötig sind. Die kalte Neutronenquelle ist laut Sprecherin für die Hälfte aller wissenschaftlichen Untersuchungen wichtig, wird aber wahrscheinlich erst 2024 wieder zur Verfügung stehen.

Viele Wissenschaftler warteten dringend auf das Wiederanfahren des Reaktors, der auch für Industrie und Medizin bedeutsam ist, zumal drei weitere starke Neutronenquellen in Frankreich, England und USA vorübergehend ausfielen, so die Sprecherin. «Es wird dann eng mit Neutronen in Europa und sogar weltweit.»

Wenn der Reaktor wieder ans Netz geht, kommt ein weiteres Problem auf die Betreiber zu: In Garching ist fast kein Platz mehr für abgebrannte Brennelemente. «Das Zwischenlager am Standort Garching ist nahezu voll, ein hochkomplexer Atommülltransport durch Bayern nach Norddeutschland steht bevor», sagte die Grünen-Abgeordnete Köhler. Auch die Endlagerung sei ungeklärt.